23.03.2016
Luthers Bibelübersetzung in das Deutsch des „gemeinen Mannes“ war im 16. Jahrhundert progressiv und hatte eine weitreichende Wirkung auf die Verbreitung der deutschen Standardsprache. Doch wie progressiv ist Kirche im Medienwandel des 21. Jahrhunderts?
Während man auch sonst in der Gesellschaft immer weniger von der Kirche merkt – die Zahl der Kirchenaustritte ist wieder gestiegen – scheint sie im Netz ebenfalls wenig präsent. Dabei beschäftigen sich sowohl die Katholiken als auch die Protestanten mit den Möglichkeiten des Internets. Denn das WWW und Gott haben eins gemeinsam: Sie sind überall.
Protestanten – Theoretiker der Netz-Theologie
Die evangelische Kirche sieht ihr Engagement im Netz selbstkritisch. Zwar werden christliche Inhalte verbreitet, es erfolgt aber zu wenig tatsächlicher Austausch zwischen Kirche und Bürger. Ob das unter anderem daran liegt, dass die Protestanten weniger auf Facebook und Co. setzen, die sie als (maß)regelnde Massenplattformen abkanzeln, weil sie einem „einen Fertigmix von Informationen und Tweets“ vorsetzen, „die man gut finden muss“?
Jedenfalls setzt die evangelische Kirche mehr auf mittlere und kleinere Online-Communities, die sie nicht weiter spezifiziert. Das Potential des „Überall-Internets“ a.k.a. mobiles Internet hat sie aber schon erkannt. Auch die lutherisch-evangelische Kirche befürwortet die Theorie der Internetkommunikation, kritisiert aber, dass kirchliche Inhalte in zu wenigen digitalen Räumen vorkommen. Wie beispielsweise bei Facebook? Immerhin nähern sich die Protestanten dem Thema Digitalisierung in Form von Schwerpunkten an, die sie auf Tagungen besprechen … An ihren Taten sollt ihr sie erkennen! (1. Johannes 2, 1-6)
Katholiken – mit Whatsapp wider die Kirchenflucht
Es mag überraschen, aber aus katholischen Gefilden weht diesbezüglich ein viel fortschrittlicherer Wind. Sogar Papst Franziskus bezeichnet das Internet als „Geschenk Gottes“. Diese Formulierung muss man sich in einer immer fortschrittlicher werdenden Zeit mal auf der Zunge zergehen lassen. Während die Protestanten das Phänomen Internet noch distanziert-wissenschaftlich erörtern hat das katholische Oberhaupt bereits verstanden, dass es die „Distanzen zwischen den Menschen verringert.“ Darüber hinaus gibt es bei den Katholiken sogar einen Welttag der sozialen Kommunikationsmittel, oder eleganter: den Mediensonntag.
Der Papst twittert sogar – und nicht nur er. Das Bistum Essen will denjenigen unter uns, die christliche Geschichten zum letzten Mal in der Grundschule gehört haben, diese wieder näherbringen. Ganz zeitgemäß und bequem via Whatsapp-Ticker. Wie wäre es aus aktuellem Anlass mit der Ostergeschichte? Für deren Whatsapp-Übertragung kann man sich per Mail registrieren. So geht Gläubigerrekrutierung 2.0. Vielleicht kann zumindest die katholische Kirche in Zukunft über die Schäfchenzahlen beruhigt einschlafen. (tl)